Von verschneiten Gleisen, leeren Brotregalen und Revolution – ein Abend mit Jörg Baberowski
Es sind die Auricher Wissenschaftstage – immer noch und immer wieder. Fragte man mich, warum ich am Ende einer langen Schulwoche einen Vortrag im vollkommen ausgebuchten Güterschuppen besucht habe, in dem es um den „bedrohten Leviathan“ ging, um Staat und Revolution in Russland also, so wäre meine Antwort diese: Ich weiß zu wenig über Russland. Und ich möchte verstehen, aus welchen historischen Quellen vielleicht sich die aktuelle Weltlage speist, die Konflikte zwischen Russland und dem Westen.

Nach einem gelungenen Bericht der Stipendiatinnen Lea Hippen und Amélie Kubusch über ihr Praktikum am Kunsthistorischen Institut in Florenz betrat Jörg Baberowski, Professor für osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität in Berlin, das Podium und begann zu erzählen.
Spontan, wie er sich selbst einleitete, ohne Manuskript und jedwede Bebilderung. Keine Geräte, keine Präsentationen, einfach nur ein kluger Mann und sein Wissen, seine Sprache, seine Lebendigkeit. So erfuhren wir manches über die Geschichte Russlands, gesellschaftliche Strukturen und politische Umbrüche, die Beziehungen zu den europäischen Entwicklungen während der Aufklärung, über Macht und Herrschaft und Revolution. Dabei unterschied Baberowski zwischen anthropologischen Konstanten, die sich nicht verändern ließen, und dem, was aus der Historie erklärbar sei. Nach druckreifer Rede, um die die Provinzlehrerin den Referenten nur beneiden kann, bestand die Möglichkeit für Fragen und das Gespräch.

Von der „Buchhandlung am Wall“ gab es einen Büchertisch, und ich stand noch eine ganze Weile mit Schülern und Kollegen vor dem Güterschuppen zusammen. Das war wieder interessant, das fanden auch die jungen Leute. Es ist unser Freitagabend und im Grunde also schon Wochenende. Könnte man dieses aber besser einläuten als mit einem weiteren guten Abend der Auricher Wissenschaftstage?

„Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen.“, steht auf dem roten Banner vorn.
Ich meine, Albert Einstein hat recht damit.
Text und Fotos: Christine Korte