Niedersächsischer Landestag der Latein- und Griechischlehrkräfte am Gymnasium Ulricianum in Aurich
von Friedgar Löbker
Am vergangenen Freitag, dem 26.09.2025, fand der diesjährige Landestag der Latein- und Griechischlehrer am Gymnasium Ulricianum in Aurich statt. Zahlreiche Gäste aus Schulen und Studienseminaren sowie Vertreter der Universitäten und des Kultusministeriums Niedersachsen waren zu diesem Anlass nach Aurich gekommen. Im Mittelpunkt der jährlich stattfindenden Tagung steht eine Standortbestimmung der klassischen Sprachen: Dabei werden Entwicklungsperspektiven in der Bildungspolitik sowie Fragen aus der Fachdidaktik und Fachmethodik zur Diskussion gestellt.

Nach einem engagierten und schwungvollen Beitrag der Bläserklasse 7a unter Leitung von Sebastian Berger eröffnete Dr. Katja Sommer, die Bundesvorsitzende des deutschen Altphilologenverbandes, die Festveranstaltung und erinnerte an das hundertjährige Bestehen des Verbandes. Sie gab zu verstehen, dass die Alten Sprachen bereits in der Weimarer Zeit einer Bewährungsprobe ausgesetzt waren, aus der jedoch innovative Signale und letztlich eine Stärkung der altsprachlichen Fächer hervorgegangen seien.

Den bildungspolitischen Beitrag der Spracharbeit hob der Schulleiter des Gymnasiums Ulricianum, Rüdiger Musolf, in seinem teils in lateinischer Sprache gehaltenen Grußwort hervor: „Ein reflektiertes Sprachbewusstsein ist Grundlage von Kritik- und Kommunikationsfähigkeit, wie sie für die Demokratie essenziell sind.“ Gerade in Zeiten einer gefährdeten Demokratie und Diskursfähigkeit im öffentlichen Raum bedürfe Bildung eines stabilen Fundaments, das die klassischen Sprachen mit ihrer Spracherziehung, Sprachbildung und ihren zeitlos gültigen Themen und Fragen böten. Wenn auch das Gymnasium Ulricianum noch recht stabile und relativ hohe Anmeldezahlen in den alten Sprachen aufweise, so sei doch der richtungsweisende bildungspolitische Kurs der Niedersächsischen Landesregierung sehr fragwürdig, wenn in Zukunft gymnasiale Fächer durch die Wahlentscheidung von Schülern und Eltern abhängig werden würden. Die bisherigen Pläne zur Reform der Einführungsphase bzw. Oberstufe zielten auf den Kern gymnasialer Bildung, konstatierte der Schulleiter, forderte die Landesregierung dazu auf, die Pläne zu überdenken, und appellierte an die Teilnehmer:

„Vocem Latinam et Graecam non solum a permultis periculis atque ab hostibus horribilibus fortiter defendere debemus.“

In seinem Grußwort nahm der Bürgermeister der Stadt Aurich, Horst Feddermann, spontan den kulturhistorischen Wert der Sprach- und Ausdrucksfähigkeit auf, indem er am Beispiel der plattdeutschen Sprache das kulturelle Erbe der Regionalsprachen amüsant und unterhaltsam unterstrich.

Als Vertreter des Ministeriums sprach der Leitende Regierungsdirektor Dr. Christian Stock aus Hannover und gab vor dem Hintergrund großer bildungspolitischer Herausforderungen zu verstehen, wie wichtig gerade in Zeiten zunehmender Unsicherheiten stabile Fundamente und Bildungsstandards seien. Daher gelte es, die Herausforderungen anzunehmen, Qualitätsstandards in einer sich wandelnden Bildungslandschaft abzusichern und einen sachlichen Dialog mit den Kritikern zu führen.

Für mehr Mut zur aktiven Anwendung der lateinischen Sprache warb Christian Löhr, der Vorsitzende des Niedersächsischen Altphilololgenverbandes, dankte den Organisatoren und wünschte den Anwesenden einen guten und erkenntnisreichen Verlauf des Landestages.
Mit Charpentiers berühmtem Präludium des Te Deum laudamus leitete die Bläserklasse 7a mit ihrem eindrucksvollen Auftritt zum Hauptvortrag über. Ein dankbarer und lang anhaltender Applaus war ihnen sicher. Der Gräzist, Prof. Dr. Günther Nesselrath, von der Universität Göttingen hatte sich kurzerhand bereiterklärt, mit einer Vorlesung über die Kompositionstechnik in der Ilias Homers den entfallenen Beitrag von Prof. Dr. Marcus Schauer über Vergils Aeneis flexibel einzuspringen. Dabei leitete der Experte die Zuhörer durch die Vielzahl unterschiedlichster Erzählstränge, und es gelang dabei, den auf Achills Groll hin konzipierten Aufbau der Ilias im zehnten Jahr des Trojanischen Kriegs systematisch zu durchdringen.

Nach einer Mittagspause trafen sich Lehrkräfte und Interessierte zu einer Reihe von Arbeitskreisen mit Themen aus den Bereichen der altsprachlichen Didaktik und Methodik. Im Zentrum standen dabei Fragen zur Gestaltung eines modernen und attraktiven Unterrichts: Die Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Schulen und Bildungseinrichtungen stellten Material zur Verfügung, initiierten Diskussionen und regten zur Praxis neuer Gestaltungsmöglichkeiten an; sei es, dass die szenische Interpretation erprobt wurde (Susanne Lorenzen, Berlin), oder dass Fragen zur Kompetenz des Staatsmanns im Griechischunterricht am Beispiel der Memorabilien Xenophons diskutiert wurden (Stefan Gieseke, Hannover), sei es, dass Tipps und Hinweise für Studienfahrten nach Rom vorgetragen wurden (Frank Lüngen, Aurich), oder dass Möglichkeiten des aktiven, sprachlebendigen Lateins erörtert wurden (Christian Löhr, Hannover), sei es, dass eine Verbindung von morphosyntaktischer Spracharbeit mit dem Verständnis antiker Lebenswelten hergestellt wurde (Achim Graf, Aurich), oder dass Instrumente zur Analyse narrativer Texte am Beispiel der römischen Satire vorgestellt wurden (Ina Tebben, Westerstede und Dr. Friedgar Löbker, Aurich).
In den Arbeitsgruppen standen dabei immer wieder auch die curricularen Anforderungen und Leitthemen der gymnasialen Oberstufe im Vordergrund sowie eine schüleradäquate Gestaltung des Latein– und Griechischunterrichts.
Rückblickend ermöglichte so der Landestag der altsprachlichen Lehrkräfte in Niedersachsen am Gymnasium Ulricianum allen Beteiligten einen regen und breit angelegten Erfahrungsaustausch und eröffnete Perspektiven für eine moderne und den Veränderungen der Zeit angepasste Unterrichtspraxis an den Schulen des Landes Niedersachsen.