Ulricianum – Liebeserklärung einer Lehrerin in komplizierter Zeit

Neulich hörte ich, dass in unserer Zeit an einem Tag mehr neue Songs veröffentlicht werden als in den Achtziger in einem ganzen Jahr. (https://thecircle.de/blogs/news/es-wird-an-einem-tag-soviel-musik-veroffentlicht-wie-1989-in-einem-jahr, 1.10.2025)
Gestern las ich, dass rechts-nationale Songs Streaming-Plattformen wie Spotify und YouTube fluten (https://www.tagesschau.de/kultur/rechte-ki-songs-youtube-spotify-100.html, 1.10.2025).
Manchmal habe ich Angst in dieser Zeit, die sich viel schneller verändert, als ich selbst es kann.
Aber dabei soll es nicht bleiben.
Denn ich habe euch, und wir haben unser Leben.
Ich bin keine Englischlehrerin, aber aus Verehrung für Bob Dylan erfinde ich manchmal englischsprachige Lieder.
Ich bin auch keine Musiklehrerin, aber ich singe gern, und ich habe die alte Gitarre meiner Mutter.
Ich weiß, dass ich eine lausige Gitarristin bin, denn ich habe es nie wirklich gelernt. Seit ein paar Wochen nehme ich Gitarrenstunden, aber ich übe leider nicht genug … (Vielleicht kennt ihr das. Mein Gitarrenlehrer kann sozusagen ein Lied davon singen.)
Ich spiele trotzdem, denn ich habe gelernt, dass wir Fehler machen dürfen, darüber sprechen und dann besser werden. Jeder von euch, der ein geübterer Musiker ist als ich, ist herzlich eingeladen, mein Lied besser aufzuführen, als ich es kann. Ich freu mich drauf!
Wenn ich die Zeiten manchmal schwer finde, wenn die Nachrichten jedes Tages voll sind von Kriegen, der ökologischen Beschädigung der Erde, der Behinderung und Leugnung von Wissenschaften und manchem mehr, dann muss ich mir die Frage beantworten, von welcher Kraft und wie ich weitermachen kann.
Heute möchte ich euch sagen, dass ihr ein Teil meiner Antwort seid.
Wann immer ihr mich anstrahlt, wenn wir uns auf dem Schulhof begegnen, ihr mir die Tür aufhaltet oder fröhlich tschüs sagt am Ende einer Stunde, macht das Spaß. Wir haben schon so viele Probleme zusammen gehabt – und gelöst. Darauf kommt es an. Tag für Tag ringen wir gemeinsam darum, das Richtige zu tun und die Menschen zu sein und zu werden, die wir morgens gern im Spiegel sehen wollen.
Wir haben so viel Spaß zusammen, und ich bin froh, dass ich euch habe.
Jeden Tag radele ich gern zu meiner Schule, wo ich am Fahrradständer neben der schönen Eingangstür an der Von-Jhering-Straße die ersten zerknautschten Gesichter treffe, die auf den letzten Drücker – so wie ich – ihr Rad abschließen und ein schnelles Moin raunen. Und dann geht es los. Ab in die Bildung – des Geistes und der Gemüter!
Ich bin eine alte Schachtel geworden in all diesen Jahren, aber ich liebe es immer noch sehr, mit euch jungen Leuten zu arbeiten. Manchmal erklärt ihr mir die Welt, wie sie heute ist – und mir manchmal fremd.
Wir werden die Probleme lösen, die uns vor die Füße fallen. Die eigenen und auch die der großen weiten Welt, in der wir leben. Wer, wenn nicht wir?
Wir dürfen in Freiheit leben und Demokratie. Wir haben Zugang zu Bildung und Ausbildung.
Wir haben Lieder. Verteidigen wir das. Erhalten und pflegen wir das.
Dies ist mein Lied für euch, meine lieben Kinder und Kollegen.
I love you much.
Mit Klick aufs Bild oder hier: https://www.youtube.com/watch?v=9Io9Ua9f9uA
Ein Beitrag von Christine Korte
